29 Dinge, die ich nicht verstehe
Fernsehprogram – Bauer sucht Frau – Landleben – Brigitte Nielsens Brüste, wer sieht die Verbindung nicht in seinem Kopf aufleuchten? Karsten Lampe assoziiert, was das Zeug hält, und hält mit der Feder einfach voll drauf, bringt zu Papier, was gesagt und nebenher in einem bekloppten Kopf gedacht werden muss. Ein Abdruck der Phantasie.
Wissen Sie, wie es dazu kam, dass
Napoleon eines Abends beim Zubettgehen die Begründung für den
Ungehorsam seines Heeres zusammen mit einem „Tritt mich“-Schild
an seinem Gewand fand?
Oder kennen Sie den Friseursalon, der
die gute Fee anstellt, weil Wünsche erfüllen alleine kein besonders
sicheres Einkommen bietet, und der sich aus Frust über diese
Tatsache eine ordentliche Wampe angefressen hat, dass nur noch das
Tutu und die Ballerinaschläppchen mit dem traditionellen Bild, das
in der Allgemeinheit über Feen kursiert, übereinstimmt?
Nein
Es beginnt mit einer Phrase, einem
alltäglichen Satz: „Was machst du da?“ Dies könnte die
Einleitung zu einer Geschichte über einen kleinen Jungen sein, der
seinem Vater in der Küche den selbstgebackenen Matschkuchen
anbietet. „Was machst du da?“, könnten genervt die Abwehrspieler
ihren Torwart fragen, der eine Flanke auf den Hinterkopf bekam und so
das die 0:6 Niederlage beschloss. Eines Tage hörte Karsten Lampe
diesen Satz und dachte sich, so eine Geschichte will ich erzählen.
Und er setzte sich hin und fing an zu schreiben. Zuerst den Satz, das
Fundament, der Ausgangspunkt: „Was machst du da?“
Geboren war die Geschichte von Sascha,
einem grundehrlichen Menschen, der eines Tages im Büro auf die Idee
kam eine neue Art der erneuerbaren Energie einzuführen. Die
Pups-Energie. Seine Anwendung, das Skispringen, scheint ein guter
Absatzmarkt zu sein, es kommt nur noch auf die Vermarktung an. Ob er dafür einen Kredit von der Bank bekommt?
Thematisch abgehandelt werden 29 Dinge, die der
Autor nicht versteht und bei denen ich verstehen kann, dass der Autor
sie nicht versteht, bzw. nicht nachvollziehen kann, also den
Enthusiasmus oder die Verhaltensweise, plus ein Ding, das man dadurch
verstehen kann – den Autor und seine Gefühle – macht in der
Summe 30, versteht man das?
Einige Texte sind wirklich lustig, weil
sie sich über etwas echauffieren, dessen Unverständnis, um nicht zu
sagen Wut, sich auch in mir eröffnet hat. Zu diesen Dingen gehören
unweigerlich die völlig unnötigen und zu Unrecht erfolgreichen
Fortsetzungen von eigentlich guten Filmen. Was wäre mein Leben nur
ohne Matrix 2 und 3? Ein Traum.
Oder die peinlichen Reden von
Politikern über die Finanzkrise, dessen inhaltsvollstes Wort zumeist
"Guten Abend" ist, und wer versteht eigentlich Künstler?
Und verstehen die ihre Kunst eigentlich selber?
Wie Spongebob Schwammkopf zu sagen
pflegt: „Mit einer Menge Phantasie, können alle Träume wahr
werden“ (mit selbiger entsteht nun vor deinem Auge ein kleiner
Regenbogen). Karsten Lampe macht sie lebendig. Er lässt alle
Kreaturen seiner Gedankenwelt ungefiltert auf die Menschheit los. Ob
es nun mit der eigentlichen Geschichte zu tun hatte, oder nicht. Kein
zynischer Kommentar bleibt ungehört, keine Assoziation
unausgesprochen. Oft hatte ich auch das Gefühl, dass sich dadurch
die Geschichten noch beim Schreiben komplett geändert hatten und
niemand – selbst der Autor nicht – das Ende nicht erahnen kann,
bevor es nicht da ist. Eine verrückte Welt spinnt sich Lampe da zusammen, in jeder Geschichte aufs Neue, Verhedderungen inklusive. So kann man alles sehr gut mehrmals lesen und findet immer etwas Neues und irgendwann vielleicht auch die Struktur der einzelnen Geschichten.
Sein Schreibstil ist lustig, abrupt, streckenweise ein wenig
anstrengend. Die Geschichten wirken nur als leblose, übersehbare
Hülle, um die bissigen Kommentare einzustreuen, bzw seine Phantasie
anzuregen. Solange etwas phonetisch Verwandtschaft , oder politische
Andeutungen, cineastische Erinnerungen, oder einfach nur
Sprengstoffpotenzial aufweist, wird in der Geschichte knallhart der
Pausenknopf gedrückt, und der neuen Gedankenkette zu folgen, bis sie
nicht mehr ergiebig ist.
Man merkt den Texten einfach an, dass
es sich um Spoken Word handelt. Als peripher hörender Zuschauer
fokussiert man seine Konzentration wahrscheinlich auf andere Dinge
als der erwartungsvolle Lesesesselleser. Es ist mehr Abendunterhaltung, als Autofahrtverkürzung, wobei es in einer geselligen Fahrgemeinschaft wahrscheinlich auch als Anstoß zu den bescheuertsten Gesprächen fungieren kann. Die tosende Stadthalle mit
Lampe auf der Bühne. Das würde gut ankommen in Soest. Leider hatte
ich noch nie die Möglichkeit, ihn live zu sehen, und deswegen bleibt
es eine Vorstellung basierend auf YouTube-Video. Aber wenn man ihn zum Sieger seines hiesigen Altstadtslams gekürt hat, sind die Zugaben sicherlich mit vielen anderen Bestätigungen des Ergebnisses in diesem Band zu finden.
Vorrangig in Ich-perspektivischen Kurzgeschichten wird die Welt und was die Menschen daraus machen an den Pranger gestellt und mit faulen Eiern beworfen. Das sieht dann ungefähr so aus:
Vorrangig in Ich-perspektivischen Kurzgeschichten wird die Welt und was die Menschen daraus machen an den Pranger gestellt und mit faulen Eiern beworfen. Das sieht dann ungefähr so aus:
Fazit: Wer sich genial konstruierte
Kurzgeschichten mit Moral erhofft, wird enttäuscht werden. Wazzefak überzeugt mit seiner Unterhaltsamkeit, ist kurzweilig und bietet einige witzige
Vergleiche, die man in der Kneipe an der ein oder anderen Stelle gut
anbringen kann.
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