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Das Schiff auf dem Berg - Sebastian 23

Die perfekte Urlaubsgeschichte für Genießer.

Sommerurlaub in Schweden. Traumhafte Landschaften, Rehe, die aus einem Waldstück springen und in das nächste verschwinden, die ruhige See. Da darf natürlich auch die passende Literatur nicht fehlen. Das Schiff auf dem Berg ist eine verträumte Erzählung über das Kind sein.

Es ist eine Anektdotensammlung der Frühentwicklungsphase eines Dichters, der zu diesem Zeitpunkt von seinem Schicksal aber noch nichts ahnt. Da es nun aber zu diesem Punkt kommen füttert er nachträglich mit Peinlichkeiten aus seiner Jugend, um sich seine Brötchen zu verdienen.

Das handliche Heft im Miniformat fand dank seiner Größe auch im sparsam gepackten Kanu-Tour Rucksack und der Trecking-Hose Platz

Er versteckt sich auf einem Anhänger, um von seinen Gegnern beim „Verstecken-Fangen“ nicht als Geisel genommen zu werden, klettert auf ein Dach, bis er wie eine naive Katze feststellen muss, dass es immer einen zweiten Weg gibt, und baut außerhalb seines kleinen Dorfes in einem umgestürzten Baum ein Sherlock-Holmes Gedächtnisdetektivbüro auf. Alles oberflächlich betrachtet keine schlechte Idee. Allerdings resultieren daraus etliche Knochenbrüche, eine Beschwerde seiner Eltern bei seiner Grundschule wegen Fehlverhaltens des Lehr- und Reinigungspersonals und leider kein einziger ernstzunehmender und spannender Mordfall.

An der Klippe hängt ein Schiff an einem Berghang und wartet auf eine Existenzberechtigung. Ein wiederkehrender Traum, eine Erinnerung, die irgendwie verhängnisvoll im Raum schwebt. Da steht ein Wrack archengleich, wo niemals ein See gewesen war, und niemand weiß, wie es dort hinkam. In die Nächte, in das Bett, in den Kopf des kleinen Sebastian 23.


Spannend, wie man sich selbst dabei ertappt, neugierig zu werden. Man bemerkt an sich ein Interesse für die Lüftung einer völlig banalen Frage aufkommen, weil sie so lange hinausgezögert wird und der Autor sich gegen jeden Verstoß gegen seine Regeln abgesichert hat. Der Leser wird zum Spielball instrumentalisiert. Man will eben doch, was man nicht kriegen kann.
Genauso gerne, wie mit den Lesern, spielt er mit den Worten an sich. In der – taufen wir sie Multinovelle – Multinovelle kommen Dinge aus ihm, die von Poetik nicht zu unterscheiden sind. Sätze wie „In der Zeit, in der ich Mädchen noch als Verniedlichungsform von Made hielt“ würden in meinem Freundeskreis gerne mit dem Kommentar „du bist so stumpf“ sanktioniert, aber mir gefällt die Kreativität, mit der Sebastian 23 sein Handwerkszeug einsetzen kann.

Das Buch war für mich optimal eingeteilt. Zwölf Happen für zwei Wochen Urlaub. Subtrahieren wir den An- und Abreisetag darf ich mich an jedem Abend auf eine Kleinigkeit aus dem Leben eines Schuljungen freuen. Umso ärgerlicher war es, als ich am dritten Tag nach einer Kanu-Tour durch die Fjorde von meiner Anlegestelle aufblicken und die Ränder der umliegenden Inseln im Sonnenuntergangsrot betrachten musste. Denn zu Lesen hatte ich nichts mehr.

Aber was hält das Buch eigentlich zusammen? Die Anglizismen.

Sowohl der große Cliffhanger, als auch Running Gags führen durch das Buch. Durch ähnliche Phrasen, die das Ende des einen mit dem Anfang des anderen Kapitels binden, oder das Buch wie ein Fadenwurm durchziehen wird ein angenehmer Zusammenhalt geschaffen. Manch ein Witz geht dabei durch eine Metamorphose von lustig zu urkomisch bis hin zu vorhersehbar und nervig. Der Humor, der Sebastian 23 geschenkt wurde, ist gut und besonders. Allerdings nimmt eine Überreizung der Pointe ihm ein wenig das Mystische.

Sebastian 23 findet ein würdevollen Abschluss in einer Geschichte, die kein Ende hat, und hinterlässt den Leser in einem Gefühlschaos, das er mit seinen letzten Worten zu beruhigen weiß. In Anbetracht der tragischen Moment, die er mit uns teilt, findet man seinen Frieden mit diesem Schiff und dem Berg.

Autobiografische Züge in eine liebevolle Geschichte eingepackt und mit einem kleinen Schleifchen aus Leinen herum. Wirklich nett und auch irgendwie ein klein wenig romantisch, passend zu der einsamen und ruhigen Atmosphäre am Steg sitzend mit den Füßen im Wasser baumelnd und auf die benachbarten Inseln im Fjord blickend, während die Sonne sich langsam ihrer Anwesenheit entzieht.

 

Titel: Das Schiff auf dem Berg

Autor: Sebastian
23

Verlag: Lektora

ISBN: 978-3-938470-96-1

90 Seiten

Preis: 6,00 €

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