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Fabian Navarro - Von A nach B


Fabian Navarro zwängt seinen Kleiderschrank in einen Koffer und befreit sich aus seinem dörflichen Schutzkokon um die Welt zu erkunden.

Von A nach B.

Nach dem Schulabschluss gibt es eine Phase in der man sich schlussendlich auch räumlich der engen Bindung zu seinen Eltern versagt und sich alleine in einer fremden Stadt zurecht finden muss. Trägt diese Stadt den Namen Hamburg und bereist man sie aus Gründen der literarischen Ausbildung, so extremisiert sich die Erfahrung, sowie der Makrelengeruch, und man erlebt dabei einige Abenteuer auf dem Fischmarkt, der Reeperbahn und am Strand. Davon handelt dieses Buch. Zum Teil.

Der Rest befasst sich mit zusammengenähten verwunschenen Einhörnern, literarische Personen in Metaebenen zwischen Raum, Zeit und Seiten, und natürlich fünfköpfigen Faultierhardcoreberserkern. Also slammtypischer Grundstoff.

In einem norddeutschen Küstenumfeld, wo sich Oktopoden und Tiefseekrabben "Gute Nacht" sagen und in den tiefsten Tiefen des Meeres verschwinden, spielen sich die Geschichten ab. Mal im, mal am, mal ums Wasser.

Seit Julia Engelmann ist klar. Poetry Slam bedient vor allen die Ängste, Wünsche und Sehnsüchte der Zeit. So wird auch in "Von A nach B" an das eigene Gewissen appelliert, der Leser mit einer Tiefseekrabben verglichen, die aus der harten Schale ausbrechen muss, und die unendliche Hoffnung durch eine Kartoffel symbolisiert. Klingt unromantisch und stillos, hat aber irgendwie was.

Wenn ich in mir dann aber ein leichte Gefühl von Romantik aufkommen fühle, den Geruch des salzigen Meeres verspüre, dem Rauschen lausche und mich in dem Text einfach nur verlieren will, gibt es jemanden der etwas dagegen hat. Fabian Navarro zerstört mutwillig seine mühselig aufgebauten Bilder mit ätzenden Anspielungen auf das Gewichtsniveau eines Mädchens oder Minenfeldvergleiche mit Strandpromenaden.

Lediglich ein kleines Stück Hoffnung bleibt dem Leser. Das Verreisen.
Es scheint für Fabian Navarro etwas ganz besonderes zu haben und man merkt den entsprechenden Gedichten ihre Leichtigkeit und das Gefühl der Freiheit an. Unterwegs zu sein und neue Orte zu erkunden, Menschen kennen zu lernen. Als gäbe es ein Leben ohne Zwänge und die Zeit wäre unendlich.

Unzählige Anspielungen, zeigen seine Literaturbesessenheit.

Man merkt den Spoken Word Charakter der Gedichte in jeder Zeile, weiß, wann das Publikum lachen würden, wann es überrascht wäre und wann der Autor Sprech- oder Kunstpausen eingeplant hat. Insgesamt sind die Texte sehr lebendig und haben einen guten Lesefluss, der die Überleitungen gut kaschiert und ein wohliges Gefühl beim Zuhören gibt. Vorausgesetzt jemand liest einem das Buch vor.

Garniert werden die Seiten mit schwarzweiß Illustrationen, ganz hübsch anzusehen. So kann man Fabians Reiseroute nachverfolgen, in sein Gamerzimmer schnüffeln, und für alle, die sich schon immer gefragt haben, wie eine Kartoffel aussieht, hat dieses Buch auch die lang ersehnte Antwort im Gepäck.

Da gibt es tatsächlich Menschen in der Neuzeit, die freiwillig ihre Arbeit dazu verwenden, alte Klassiker zu lesen und zu verstehen, zu vergleichen und zu analysieren, und die in ihrer Freizeit dann trotzdem noch nicht genug von den Buchstaben haben und selbst tätig werden, in Ehrfurcht vor den großen Meistern ihre eigene neue Poesie zu verewigen mit den präsenten Themen ihres Erfahrungshorizontes. Und was könnte dies als Germanistikstudent anderes sein, als chillen, Partys, saufen.

Und eventuell der deutschen Sprache zu dienen.


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