Der Meister des Running Gags hat wieder einmal zugeschlagen. Das dritte Buch Falsche Opfer ist als direkte Handlungsfortsetzung von „Böses Blut“ anzusehen - auch wenn es in jedem Buch einen abgeschlossenen Fall gibt - da die A-Gruppe mit den Konsequenzen des Kentucky-Mörder-Falls in diesem Band noch lange zu kämpfen hat.
Die A-Gruppe arbeitet in Kleingruppen
an verschiedenen kleineren Fällen. So kümmern sie sich zu Hjelm und
Holm um eine Kneipenschlägerei, Norlander und Söderstedt um eine
Gefängnisexplosion und Chavez übernimmt alleine eine Schießerei.
Anfangs war ich aufgrund der ziemlich
unspektakulären Fälle ein wenig enttäuscht. Entgegen meiner
Vermutung handelte es sich dabei nämlich nicht um eine Einleitung,
im Stile der Geiselnahme im zweiten Kapitel von Misterioso. Das Ganze
zieht sich zu Beginn ein wenig hin. Aber im Mittelteil zeichnen sich
gewisse Muster ab und bis zum Ende verweben sich die Fäden immer
mehr und bilden ein Gesamtkonstrukt, das beeindruckend ist. So finden
auch die normaleren Fälle einen Platz im großen Puzzle der
Geschichte. Zusammen ergibt sich eine riesige, spannende Geschichte
mit Hintergründen, Vorgeschichten und gefährlichen Perspektiven.
Ich würde vor allen Dingen ein Merkmal
in den Vordergrund stellen, dass auch schon in den beiden Vorgängern
mit den Reiz ausgemacht hat, aber in diesem Teil noch einmal auf die
Spitze getrieben wurde: Die Konstruktion der Geschichte.
Schon die Anbindung an die Handlung der
Vorgängerbücher ist ein Kunststück, doch Arne Dahl scheint beim
Verfassen des ersten Teils schon den genauen Inhalt dieser Ausgabe
gewusst zu haben, so gut, wie er die beiden Bücher miteinander
verwebt und die Situation der A-Gruppe weitergesponnen hat. Als hätte
er schon gewusst, was in jedem einzelnen Kapitel passieren würde,
noch bevor er das erste Wort geschrieben hatte.
Jedes Kapitel sagt etwas aus und trägt
etwas zum großen Finale bei.
Wie ein Puppenspieler hat er alle
Handlungsstränge in seinen Händen und lässt sie gleichzeitig über
die Bühne tanzen. Den Mittelteil muss man schon hochkonzentriert und
im Ruhigen lesen, um den Überblick nicht zu verlieren. Aber nicht
so, dass es anstrengend ist, sondern eine Herausforderung.
Jetzt sagen manche von euch: „Das ist
scheiße, weil das ist voll unrealistisch“.
Darauf kann ich nur antworten: „Scheiße
ist die Konstruktion deines Nebensatzes“.
Ganz im Ernst, wer will langweilige
Geschichten lesen, die jeden Tag einem selbst passieren könnten. In
Krimis ist der Anteil an Mördern auch höher als im echten Leben.
Und ich hatte nicht das Gefühl, als würde hier die Spannung der
Glaubwürdigkeit etwas wegnehmen.
Als nun in die Serie Eingelesener waren
einige Verbindungen schon sehr voraussehbar. Allerdings ist das
Konstrukt, das hinter der Geschichte steckt, so komplex, dass man
sich schon sehr konzentrieren muss, um der Handlung überhaupt zu
folgen, da bleibt nicht mehr viel, um sich noch über das Ende
Gedanken zu machen. Außer man legt das Buch kurz aus der Hand und
überlegt in Ruhe.
Die Spannung nimmt nach den oben
erwähnten Startschwierigkeiten im Mittelteil an Fahrt zu, steigt
immer mehr und hat ihren gefühlten Höhepunkt etwas zu früh. Denn
wenn man glaubt, dass man den Fall in seiner Gänze verstanden hat
und die letzten 50 Seiten der Charakterzeichnung vorbehalten ist, hat
den gleichen Denkfehler wie ich begangen. Auch die letzten Lücken im
Gedankengang werden noch gestopft und sogar einen großen Showdown
hat Arne Dahl noch parat. Ich hätte es auch gut gefunden, wenn
einige Dinge nicht geklärt werden, denn wenn man genug Beweise
gefunden hat, könnte man sich in dem echten Leben ja einem neuen und
ebenfalls wichtigen Fall zuwenden, jedoch hatte Arne Dahl auch für
die Auflösung der Nebenaspekte des Falles ein paar Asse im Ärmel.
Allerdings würde ich mir auch mal einen Krimi mit offen gelassenen
Fragen am Ende des Buches wünschen. Wenn ihr einen guten Tipp habt,
seid der erste, der mir einen Kommentar hinterlässt.
Der zweite Hauptaspekt ist Arne Dahl
gemäß der Witz. Er trifft genau meine Art von Humor. Das Buch nimmt
sich nicht ganz ernst, aber niemals leidet die Authentizität
darunter. Dinge, die zu abstrus sind passieren nur in Gedanken oder
Träumen. Nun gut, die Charaktere sind sehr spitz gezeichnet. Sie
haben ihre Eigenheiten, die sie praktisch wie Zwangsneurosen
durchziehen. Aber das gefällt mir in dieser Form sehr gut, weil die
Charaktere aneinander reiben und die Gruppe zusammen ein gutes
Potpourri an Charakterzügen hat, die miteinander leben und
interagieren. Das macht das Ganze lebendig.
Die Mischung zwischen Intelligenz und Schwachsinn ist einfach großartig. In diesem Band setzt er die Metamorphosen von Ovid gekonnt in Szene und macht sie mir schmackhafter als es meine Wunschvorstellung von einem Lateinunterricht je geschafft hätte.
Von Arne Dahl immer wieder gerne
miteinbezogen: Organisiertes Verbrechen. In seinen Büchern
beschuldigt er reihenweise Mafiaorganisationen aus Osteuropa, oder
den KGB, dass ich mich wundere, dass er noch nicht tot in seiner
Schreibstube aufgefunden wurde.
Ich würde das Buch genau zwischen
Böses Blut und Misterioso setzten. Böses Blut ist einfach nicht zu
toppen, aber die genialen Verflechtungen der Geschichte hatte viel
mehr „Aha-Momente“ parat, als Misterioso. So vergebe ich den
Titel „Super-Fortsetzung“.
Ich könnt diese Bewertung gerne als
subjektiv und als beeinflusst, oder als durch die „Rosa Brille“
ansehen. Aber welche Bewertung ist nicht subjektiv?
Ich habe noch nicht viele Bücher gelesen, aber Arne Dahl hat mich angefixt. Ich glaube, es schleicht sich eine Sucht an.
Anmerkung: Kleiner
Geschichtsunterricht. Um die Jahrtausendwende sind scheinbar
Prototypen einer Innovation auf den Markt gekommen, die der
Menschheit nicht ganz koscher war: Handys mit integrierten Computern,
mit denen man direkt ins Internet gehen kann. Unfassbar.
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